Wechselwirkung von korrelierter Materie mit intensiven Strahlungsfeldern

Particle-in-cell Simulation eines Wasserstofftropfens, welches mit einem optischen Laser bestrahlt wird.
Particle-in-cell-Simulation eines Wasserstofftropfens, welcher mit einem optischen Laser bestrahlt wird.

Überblick

Alle Zustände der Materie können in einem Phasendiagramm bezüglich ihrer Dichte und Temperatur dargestellt werden. Typische Charakterisierungen sind „Festkörper“ und „Flüssigkeit“ - kondensierte Materie – sowie „Gas“ und „Plasma“. Jeder dieser Zustände erfordert ganz spezifische experimentelle und theoretische Methoden zur physikalischen Beschreibung. Der Begriff „warme dichte Materie“ (warm dense matter – WDM) wurde für einen Bereich geprägt, in dem die Dichte für Modelle der Plasmaphysik zu hoch ist, andererseits die Energiedichte aber so groß ist, dass Modelle für kondensierte Materie ungenau werden. Die Dichten umfassen einen Bereich von einem Hundertstel bis zum Hundertfachen typischer Festkörperdichten. Die Temperaturen liegen zwischen ca. 5.000K bis 100.000 K. Die hohe Energiedichte ist mit hohen Drücken bis in den Megabar-Bereich (das Millionenfache des Luftdrucks auf der Erde) verbunden.

In der Natur kommt warme dichte Materie in massiven Himmelskörpern wie Sternen und großen Planeten vor. Untersuchungen in Labors sind nur in dynamischen Experimenten möglich, in denen warme dichte Materie, z.B., durch Wechselwirkung von starker Laserstrahlung oder eines Ionenstrahls mit kondensierter Materie entsteht. Eine mögliche technische Anwendung könnte die Trägheitsfusion sein.

Für die Diagnostik benötigt man Strahlung kurzer Wellenlängen im Röntgenbereich, da nur solche Strahlung dichte Materie durchdringen kann. Neben der kurzen Wellenlänge ist auch eine hohe Brillanz – eine hohe Photonendichte – der Strahlungsquellen nötig. Diese hohe Brillanz wird durch Freie-Elektronen-Laser (FEL) erreicht, entsprechende Großforschungsanlagen gibt es z.B. in Stanford (USA) und Hamburg.

Unser Forschungsbeitrag

In unserer Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns mit der theoretischen Beschreibung der Wechselwirkung von Materie mit intensiver Laserstrahlung unter den beiden Aspekten: Erzeugung und Diagnostik warmer dichter Materie. Wir arbeiten eng mit experimentellen Gruppen am Lawrence Livermore National Laboratory in den USA, bei DESY Hamburg, an der FSU Jena, der U Oxford sowie der GSI Darmstadt zusammen und sind an experimentellen Kampagnen an FELs wie FLASH und XFEL (DESY Hamburg) und LCLS (SLAC in Stanford/USA) beteiligt.

Die Experimente sind Pump-Probe-Experimente: zunächst wird warme dichte Materie durch einen optischen Laser (Wellenlänge im sichtbaren Bereich) erzeugt (pump) und anschließend, nach einer definierten Verzögerungszeit, mit einem brillanten Puls kurzwelliger Strahlung des FELs untersucht (probe). Variiert man die Verzögerungszeit, kann man das dynamische Verhalten des Plasmas untersuchen, etwa das Relaxationsverhalten nach intensiver Anregung. Wir bereiten solche Experimente durch die Modellierung der Licht-Materie-Wechselwirkung auf ultra-kurzen Zeitskalen im Bereich von Femtosekunden bis hin zu Pikosekunden (fs - ps) vor und sind an ihrer Auswertung maßgeblich beteiligt.

Insbesondere verwenden wir Computersimulationen, um die Wechselwirkung des optischen Lasers und des FELs mit warmer dichter Materie auf ultra-kurzen Zeitskalen zu beschreiben. Beispiele sind Particle-in-Cell-Simulationen für die Dynamik der Laser-Materie-Wechselwirkung im fs-Bereich oder Strahlungs-Hydrodynamik-Simulationen für die Probe-Phase bzw. die weitere Evolution des Targets im Bereich von ps-ns nach der Anregung. Dazu werden auch Supercomputer wie die des Norddeutschen Verbunds für Hoch- und Höchstleistungsrechnen (HLRN) genutzt.

Aus dem experimentell ermittelten Streusignal möchte man Informationen über die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen gewinnen: thermodynamische Parameter wie Dichte und Temperatur des Plasmas, aber auch die dynamischen Eigenschaften. Aufgrund der hohen Dichte im System sind Korrelationen zwischen den Teilchen sehr wichtig. Zur Auswertung des experimentell ermittelten Streusignals werden Methoden der Vielteilchentheorie benötigt und weiterentwickelt, um zum Beispiel den dynamischen Strukturfaktor zu berechnen. Das Streusignal der warmen dichten Materie wird aus den zuvor simulierten Plasmaparametern berechnet und mit dem Experiment verglichen. Die theoretischen Methoden und Annahmen können damit auch gleichzeitig überprüft werden. Somit können neue Erkenntnisse über die Erzeugung und die Ultrakurzzeit-Dynamik von warmer dichter Materie gewonnen werden.